Mittwoch, 9. April 2014

Der QuickCheck als effiziente Methode zur Ermittlung und Priorisierung und Projektierung von Prozessverbesserungprojekten

von Andre Döring

Ziel des hier vorgestellten QuickCheck´ ist es, Prozessanalysten zu ermöglichen, sich effizient in die gegebenen Prozesse und Abläufe eines mittelständischen Unternehmens einzuarbeiten. Dabei erfolgt der QuickCheck in Interviews entlang des Auftragsdurchlaufs mit vorab festgelegten Mitarbeitern. Hierbei kann ein Querschnitt der Ist-Situation der untersuchten Prozesse aus unterschiedlichen Blickwinkeln ermittelt und auf Differenzen hin untersucht werden. Die hierbei ermittelten Probleme werden als Verbesserungspotenziale für das Unternehmen verstanden und konkrete Verbesserungsziele abgeleitet. Der QuickCheck schließt mit einer Präsentation der Ergebnisse ab: Hierfür werden die Prozesse des Auftragsdurchlaufes bereits während der Durchführung dokumentiert, erste Verbesserungspotenziale identifiziert und nach Priorität sortiert.

Den QuickCheck zur effizienten Ist-Analyse

Mit Hilfe des QuickCheck werden relevante Geschäftsprozesse des betrachteten Unternehmens ausgehend vom „Bestelleingang“ bis hin zur „Auslieferung“ entlang des Auftragsdurchlaufs analysiert. Die Analyse erfolgt durch unstrukturierte Einzelinterviews mit den wesentlichen Prozessinhabern in den einzelnen Abteilungen, beginnend bei der Geschäftsführung, dann über die relevanten Abteilungen hinweg bis hin zu den Mitarbeitern der Produktion.

Diese Interviews beanspruchen je nach Unternehmensgröße in der Regel zwei Tage und sollten durch zwei externe und erfahrene Moderatoren bzw. Berater durchgeführt werden. Externe Interviewer können dabei die „Sicht von Außen“ einnehmen, eingefahrene Strukturen hinterfragen und so am Analyseende die wichtigsten Potenziale ableiten.

Die Interviews haben eine Dauer für jeden Mitarbeiten von ca. 60 - 120 Minuten und werden wie folgt organsiert und dokumentiert:

  • Berater 1:
    Führt das Interview und visualisiert sowie dokumentiert die Ist-Geschäftsprozesse parallel dazu. Dieses erfolgt mit einem IT-basierten Modellierungstool, dessen Oberfläche auf einem Beamer für alle beteiligten dargestellt wird. Bild 1 zeigt einen so erzeugten Beispielprozess.


  • Berater 2:
    Dokumentiert die Prozesse im Detail und stellt Rückfragen, wobei er währenddessen folgende Informationen in einer Tabelle erfasst: 
    • Wie ist der Name des Prozessbausteins, mit Referenz zum Prozessdiagramm? 
    • Wer führt diese Aufgabe durch bzw. ist der Prozessverantwortliche? 
    • Was wird in diesem Prozess gemacht (Beschreibung der zu lösenden Aufgabe) und was ist das Ergebnis (Output)? 
    • Wie und womit wird diese Aufgabe durchgeführt (z. B. welche Hilfsmittel wie IT-Systeme oder spezielle Informationen und Dokumente werden als Inputfaktoren benötigt)? 

  • Berater 2:
    Dokumentiert die identifizierten Potenziale und spätere Rückfragen oder Thesen zu den Ursachen der aktuellen Problemsituation. Empfohlen wird die Dokumentation in einer Mindmap, da diese einfach in eine Präsentation überführt werden kann, wie folgendes Bild zeigt 
Zur Sicherstellung des optimalen Ablaufs des QuickCheck sollten in einem Vorgespräch folgende Punkte abgeklärt und organisiert werden: 

  • Gibt es einen Bereich im Unternehmen auf den sich der QuickCheck fokussieren soll? Dieses bietet sich gerade bei größeren Unternehmen an oder dann wenn der Problembereich bereits identifiziert werden konnte. 
  • Welche Personen sollen am QuickCheck teilnehmen? In Absprache mit der Geschäftsführung sollten diese Personen dann zu einem definierten Termin zu dem Interview mit einem angemessenen Vorlauf eingeladen werden. Eine Vorbereitung dieser Personen auf das Interview ist nicht erforderlich, da sie sich auf die Ist-Prozesse beziehen und darüber berichten sollen. Verwendete Dokumente oder Tools können in der Regel während des Interviews beigebracht oder direkt am Arbeitsplatz eingesehen werden. 
  • Ist der Raum für den QuickCheck angemessen? Es ist zu empfehlen einen ausreichend großen Raum mit einer angenehmen Atmosphäre zu wählen, der neben einem Beamer auch mindestens ein FlipChart zur Visualisierung bereit stellt. 
Bei der Durchführung der Interviews sollen ferner folgende Punkte beachtet werden:
  • Die Interviews sollten immer in Einzelgesprächen stattfinden, um eine offene Gesprächsatmosphäre zu erzeugen und tatsächlich die wichtigsten Informationen von den Mitarbeitern zu erfahren. 
  • Auf keinen Fall darf ein Vorgesetzter beim Interview mit einzelnen Mitarbeitern zu gegen sein. Erlaubt sind ausnahmsweise vertraute Kollegen aus der gleichen Abteilung sowie Hierarchiestufe. 
  • Es ist darauf zu achten, dass der Interviewte stets über den Ist-Prozess redet und seine Aussagen nicht mit dem Soll-Prozess bzw. seinen Vorstellungen darüber vermischt. Soll-Prozess-Hinweise können als Potenziale aufgenommen werden. Folgend muss der Interviewte wieder auf den Ist-Prozess fokussiert werden. 
  • Idealerweise wird das Interview mit folgender Frage beendet: „Haben Sie noch weitere wichtige Hinweise die Sie wir noch aufnehmen sollen.“ Fand das Interview in einer vertrauensvollen Atmosphäre statt, so werden hier häufig wertvolle Potenziale und Hinweise zur Beurteilung dieser oder während des Interviews identifizierter Potenziale geliefert. 

Analyse von Unternehmensdaten

Neben der qualitativen Analyse der Unternehmenssituation über Interviews ist es empfehlenswert, relevante Unternehmensdaten und Kennzahlen zu untersuchen. Dabei bietet z. B. der Methodenbaukasten „SixSigma“ [1] gute Referenzmethoden für unterschiedliche Auswertungszwecke an. In unserer Praxis haben sich folgende Daten und Auswertungsmethoden als besonders zielführend erwiesen, einen schnellen quantitativen Einblick in die Ist-Situation der Unternehmen in den Bereichen „Wirtschaftlichkeit (1)“, „Qualität des Produktportfolio (2)“, „Mitarbeiterzufriedenheit (3)“, „Organsiationseffizienz (4)“ und „Produktivität (5)“ zu bekommen:
  1. Umsatzrendite:
    Viele Unternehmen sind am Umsatz und der Anzahl seiner Mitarbeiter ausgerichtet. Dabei gilt: je mehr desto besser. Sinnvoll ist jedoch eine Ausrichtung an der Umsatzrendite, da diese einerseits einen Hinweis über die Marktstellung des betrachteten Unternehmens gibt (je mehr Umsatzrendite, desto besser die Marge und desto besser vermutlich die Marktposition) und andererseits eine niedrige Umsatzrendite (< 3-5%) Hinweise darauf gibt, dass eine Konsolidierung der Geschäftsaktivitäten (z. B. Reduktion der Produktvarianz; Bereinigung des Kundenspektrums durch Reduktion, Konzentration und Preisanpassungen; Reduktion der Fixkosten) erforderlich ist.
  2. Produktvarianz und logistischer Aufwand:
    Es ist sinnvoll z. B. mit einer ABC-XYZ-Analyse [2] zu betrachten, welche Produkte die Hauptumsatzträger sind bzw. die Hauptertrag erwirtschaften (ABC) und in welcher Regelmäßigkeit diese nachgefragt werden (XYZ). Diese Informationen werden dann mit Informationen über den „Logistischen Aufwand“ (z. B. Störungen in der Produktion; Schwierigkeiten bei der Rohmaterialbeschaffung; hoher Fertigungsaufwand mit geringer Marge; hohe Ausschussquote) angereicht. Hierbei können dann z. B. Hauptumsatzträger (A-Produkte) hinterfragt und ggf. bereinigt werden, wenn sie einen hohen logistischen Aufwand erzeugen. Ineffiziente Produkte (CZ, CY, ggf. BZ) können direkt bereinigt werden.
  3. Krankenstand:
    Der aktuell durchschnittliche Krankenstand liegt in Deutschland bei rund 4% der Belegschaft [3]. Liegt der Krankenstand deutlich darüber kann dieses ein Indiz dafür sein, dass die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter zu hoch ist, Prozesse schlecht organisiert oder die Mitarbeiter allgemein unzufrieden mit der Arbeitsumgebung sind. Diese Kennzahl kann weiterhin auf Abteilungen heruntergebrochen werden und sollte mindestens nach „Arbeiter“ und „Angestellte“ differenziert werden.
  4. Liefertermintreue:
    Liefertermine werden durch Vorgaben vom Kunden beeinflusst oder ergeben sich aus der Effizienz der Prozessorganisation des Auftragsdurchlaufs. Der schnellstmögliche Liefertermin (ohne Transportzeit zum Kunden) bestimmt dabei als Auftragsdurchlaufzeit die minimale Durchlaufzeit ihres Auftrages durch das Unternehmen. Dabei sind sowohl der „papierbasierte“ Auftragsdurchlauf betroffen (Auftragseingang, Auftragsbearbeitung, Weitergabe des Auftrags in die Produktion) als auch dessen Fertigungszeit. Treten starke Abweichungen oder Schwankungen im Liefertermin, speziell bei gleichen oder ähnlichen Aufträgen, auf und oder bestehen sehr lange Lieferzeiten, so kann dieses ein Indikator für ineffiziente Auftragsabwicklungs- und/oder Produktionsprozesse sein. 
  5. OEE (Gesamtanlageneffektivität):
    Der OEE [4] bewertet die Produktivität des Unternehmens über die prozentual verdichteten Faktoren „Verfügbarkeit der Produktion(-smaschinen)“, „Leistung der Produktion(-smaschinen)“ und „Qualität der Produkte“. Durch die Abhängigkeit der einzelnen Kennzahlen voneinander kann z. B. die Leistung (z. B. Fertigprodukte pro Schicht) nicht einfach erhöht werden, da dann z. B. der Ausschuss steigen könnte und somit der Qualitätsfaktor sinkt: der OEE bleibt dann nahezu konstant. Ein hoher OEE-Wert, z. B. in der Automobilindustrie von über 85%, gibt Auskunft darüber, wie gut die verfügbare Produktionszeit genutzt wird, um möglichst effizient Qualitativ hochwertige Produkte zu erzeugen.

Auswertung der Ergebnisse

Als Zwischenresultat werden die Ergebnisse klassifiziert und mit den involvierten Mitarbeitern diskutiert. Die Ergebnispräsentation beinhaltet folgende Aspekte:
Erkenntnisse aus der Geschäftsprozessanalyse, z.B. Prozessschleifen, Medienbrüche etc. werden in einer Präsentation dargestellt
Die Potenziale werden nach Wirkungsgrad/nutzen bezogen auf Kosten/Aufwand bewertet und dargestellt
Es werden Ansätze zur Hebung dieser Potenziale vorgestellt und konkrete Maßnahmen zu deren Hebung präsentiert bzw. in einer folgenden Diskussion ergänzt.

Folgendes Bild zeigt die Darstellung eine Matrix zur Priorisierung der ermittelten Potenziale auf der Basis einer Portfolioanalyse.

Konkrete Ziele ableiten und Maßnahmen projektieren

Zur Umsetzung der Potenziale müssen Maßnahmen definiert werden und jeweils einem verantwortlichen Mitarbeiter übertragen werden. Alle Maßnahmen müssen an präzise definierten (Projekt-)Zielen ausgerichtet sein. Präzise definiere Ziele lenken den Fokus der Projektierung der Maßnahmen auf die wesentlichen und erforderlichen Umsetzungsschritte. Je klarer und schärfer die Ziele definiert sind, desto zielgerichteter können die verfügbaren Ressourcen eingesetzt werden.

Untersuchungen im Projektmanagement haben gezeigt, dass die meisten Projekte an schlecht definierten Zielen respektive Anforderungen gescheitert sind [5]. Eine einfach Möglichkeit einer präzisen Zieldefinition ist die Anwendung der SMART-Regel: Ziele sind dann (S)pezifisch, (M)essbar, (A)kzeptiert, (R)ealistisch, (T)erminiert. Folgendes Ziel veranschaulicht die Anwendung in der Praxis: „Bis Ende Juli 2014 ist die Durchlaufzeit in der Produktion für die Hauptartikelgruppe 4711 von 5 Tagen auf 3 Tage gesunken.“

Die aus den Zielen ab zuleiteten Maßnahmen müssen so präzise wie möglich beschrieben werden. Der hier investierte Mehraufwand zur Abstimmung der Maßnahmen im Kreis der Projektbeteiligten zahlt sich bei der Durchführung der Maßnahmen wieder aus: unnötige Rückfragen und Folgediskussionen werden vermieden und es besteht Konsens über die projektierten Maßnahmen.

Zur Definition präziser Maßnahmen hat sich das „Wer macht was, bis wann“-Schema bewährt:

  • „Wer“:
    Der Verantwortliche für die Aufgabe. Auch wenn Personen eine Aufgabe bearbeiten muss ein verantwortlicher definiert werden 
  • „Macht was“:
    Die durchzuführende Aufgabe wird detailliert beschrieben. Hierbei ist darauf zu achten, dass in der Aufgabenbeschreibung einerseits beteiligte Personen bzw. Partner und benötigte Hilfsmittel integriert werden und das im Falle mehrere Teilschritte zur Lösung der Aufgabe diese in ihrer logischen Abfolge dargestellt werden. 
  • „Bis wann“:
    Eindeutiges Datum als Deadline bis zur Fertigstellung der Aufgabe, welches eine Kontrolle der Maßnahme ermöglicht 
Folgende Tabelle zeigt die Ausgestaltung eines Maßnahmenplans bezogen auf die im obigen Beispiel dargestellten Potenziale.


Fazit

Der QuickCheck ist eine einfache und zielorientierte Möglichkeit, Prozessoptimierungspotenziale in Unternehmen zu identifizieren, diese zu priorisieren und entsprechende zielorientierte Maßnahmen abzuleiten. Er kann durch Mitarbeiter des Unternehmens wie z. B. Stabs-Mitarbeiter selbst durchgeführt werden, oder durch einen externen Berater unterstützt werden.

Durch den interviewgeführten Ablauf des QuickCheck werden neben den Potenzialen oft gerade persönliche Meinungen und Wahrnehmungen der Mitarbeiter über das Unternehmen erfasst, die entscheidende Hinweise auf die zu priorisierenden Themen bei der Prozessoptimierung geben können.

Um den Erfolg des QuickCheck zu maximieren ist die zentrale Aufgabe der Durchführenden des QuickCheck einerseits während der Aufnahme des Ist-Zustandes die wichtigsten Informationen digital zu erfassen um späteren Übrtragungsaufwand zu minimieren. Andererseits muss eine vertrauensvolle und gesprächsoffene Atmosphäre in den Interviews geschaffen werden, um gerade die Informationen „zwischen den Zeilen“ zu erhalten.

Literatur

[1] Lundau, S. (Hrsg.); Meran, R.; John, A. et. al.; Six Sigma+Lean Toolset: Mindset zur erfolgreichen Umsetzung von Verbesserungsprojekten. 4. Auflage. Gabler Springer. 2013.
[2] Pfohl, H. C.; Logistikmanagement: Konzeption und Funktionen. 2. Auflage. Springer. 2004.

[3] Bundesministerium für Gesundheit; Arbeitsunfähigkeit und monatlicher Krankenstand von 1970 bis Juli 2013. URL: http://www.bmg.bund.de/fileadmin/dateien/Downloads/Statistiken/GKV/Mitglieder_Versicherte/Krankenstand_Jul13.pdf, Abrufdatum 10.04.2014

[4] Koch, A.; OEE für das Produktionssystem. Das vollständige OEE-Benutzerhandbuch oder wie sie eine verborgene Maschine entdecken. 2. Auflage. CETPM-Publishing. 2011.

[5] Standish Group; Chaos-Manifesto. URL: http://versionone.com/assets/img/files/ChaosManifesto2013.pdf, Abrufdatum. 10.04.2014

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen