Donnerstag, 3. April 2014

Nutzt Visualisierung bei der Erreichung von Zielen?

Trainingkurse, Selbstcoachingbücher, Audio- und Videoformate der Selbstmanagementindustrie definieren die Technik der Visualisierung der Auswirkung von Zielen als Erfolgsfaktor zur Zielerreichung. Ziele intensiv fühlen, riechen, schmecken sind wichtige Schritte zur Erreichung des Ziels. Wer z. B. abnehmen möchte stelle sich einfach vor, “wie sich die neue Jeans eng an den sportlichen Körper schmiegt” und hat so einen wesentlichen Schritt zu Zielerreichung absolviert. Zusammenfassend lautet die Theorie: je stärker die Kraft der Visualisierung der Auswirkung eines Ziels auf einen selbst, desto wahrscheinlicher ist, dass man es erreicht.

Aber stimmt diese Theorie? 
Ein Blick in ein Buch von Richard Wiseman [4] hat für mich ergeben, dass Studien (zunächst) eine andere Sprache sprechen. Beachtenswert sind besonders folgende Studien:

  • Eine Studie von Lien Pham und Shelly Taylor von der University of California [1] beschäftigt sich mit Tagträumen und deren Einfluss auf Prüfungsergebnisse. In Tagträumen stellten sich Probanden gute Prüfungsergenisse für anstehende Prüfungen vor. Im Ergebnis zeigte die Studie, dass Tagträume guter Prüfungsnoten keinen Beitrag auf die Verbesserung der Note hatten. Im Gegenteil, denn es trat ein negativer Effekt auf: die tagträumende Gruppe verbrachte weniger Zeit mit dem Lernen des Prüfungsstoffes, als die Kontrollgruppe.
  • Gabriele Oettingen und Thomas Wadden von der University of Pensylvania beobachteten [2] den Einfluss positiver und negativer Vorstellungen über den eigenen Abnehmprozess auf das Abnehmen. Die Gruppe mit positiven Vorstellungen über eigene Handlungsmuster im Abnahmenprozess (z. B. »Ich rühre weder Kuchen noch Eiscreme an!«) nahmen nach einem Jahr im Durchschnitt 13kg weniger ab, als die die Gruppe mit negativer Vorstellung von ebendiesem (z. B. »Ich esse nicht nur mein Essen, sondern auch wenn ich satt bin, das Essen anderer auf!«).
  • In einer anderen Studie untersuchten Oettingen und Wadden [3] den Einfluss positiver oder negativer Vorstellungen über die Schritte zur Eroberung eines heimlich geliebten Klassenkameraden. Die positiv eingestellte Gruppe schaffte nach fünf Monaten keinen Forschschritt, den Geliebten zu einer Beziehung zu bewegen.

Visualisierung richtig Nutzen - Die Methode des “Orwellschen' Zwiedenkens”

Den obigen Studien zufolge wirkt die Visualisierung der Auswirkung von Zielen negativ auf die Erreichung der Ziele. Vertiefende Untersuchungen von Gabriele Oettingen zeigen aber, dass positive Phantasien bezogen auf ein Ziel mit einem simplen Trick dennoch positiv genutzt werden können.

Grundlage der Überlegungen ihrer Studien ist das »Zwiedenken«, eingeführt von Orwell in seinem Buch »1984«. Dabei hält man zwei widersprüchliche bzw. gegensätzliche Überzeugungen aufrecht und akzeptiert diese. Oettingen übertrug die Idee des Zwiedenkens auf das Problem der Erreichung von Zielen. Ihre Theorie ging davon aus, dass dem Menschen eine optimistische Einschätzung bezüglich der Zielerreichung hilft, ebendieses zu erreichen bzw. zu verwirklichen. Zugleich sollte er potenziell auftretende Probleme auf dem Weg dorthin bewusst erkennen.

Sie entwickelte ein Verfahren, in dem die Probanden als Erstes gebeten wurden, sich das zu erreichende Ziel vorzustellen: Zum Beispiel Abnehmen, mehr Sport machen, einen besseren Job bekommen etc. Sie forderte die Teilnehmer auf, sich einen Augenblick lang die positiven Auswirkungen bei der Erreichung des Ziels auszumalen und die zwei wichtigsten Vorteile zu notieren. Im Anschluss notierten die Teilnehmer nach kurzer Überlegungsphase zwei signifikante Hindernisse oder Probleme, die auf dem Weg zur Erreichung des Ziels auftreten können.

Zur Umsetzung des »Zwiedenkens« wurden die Teilnehmer gebeten sich vorzustellen, wie ihr Leben durch den größten Vorteil angenehmer werden wird. Danach dachten die Personen über das größte Hindernis respektive Problem nach und erarbeiteten Lösungsmöglichkeiten die ihnen helfen die Schwierigkeit zu überwinden, sofern sie auftritt. Die Probanden wiederholten das Vorgehen für den ausstehenden Vorteil und das nicht detaillierte Problem bzw. Hindernis.

In mehreren Experimenten zeigte Oettingen, dass diejenigen die diese Art des Zwiedenkens anwandten, erfolgreicher ihre Ziele erreichten als jene, die phantasierten oder sich auf negative Aspekte konzentrierten [5]. Das Geheimnis die Kraft der Visualisierung zu nutzen ist eine Frage des Gleichgewichts im Denken. Positive Aspekte stehen etwaigen Problemen und Hindernissen das Ziel betreffend ebenbürtig gegenüber und werden gleichermaßen im Ziellereichnungsprozess betrachtet.


Quellen

[1] Pham, L.B. & Taylor, S.E. (1999). From thought to action: Effects of process- versus outcome-based mental simulations on performance. Personality and Social Psychology Bulletin, 25, 250– 260.

[2] Oettingen, G. & Wadden, T. A. (1991). Expectation, fantasy, and weight loss: Is the impact of positive thinking always positive? Cognitive Therapy and Research, 15, 167– 175.

[3] Oettingen, G. & Mayer, D. (2002). The motivating function of thinking about the future: Expectations versus fantasies. Journal of Personality and Social Psychology, 83, 1198– 1212.

[4] Wiseman, Richard. Wie Sie in 60 Sekunden Ihr Leben verändern. Frankfurt, M.: Fischer-Taschenbuch-Verl., 2010. (Anm.: Hauptquelle des Posts)

[5] Oettingen, G., Pak, H. & Schnetter, K. (2001). Self-regulation of goal setting: Turning free fantasies about the future into binding goals. Journal of Personality and Social Psychology, 80, 736– 753.

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